Ansprache zur Protestkundgebung am 29.10.2004 (Update)

Ansprache zur Protestkundgebung anlässlich des Beschlusses des Verwaltungsgerichtes, der den Sofortvollzug des Bergbaus unter Falscheid für zulässig erklärt.

Möbel wackeln, Bilder fallen von der Wand, Risse in der Wand und an der Decke, Geschirr klappert in den Schränken, das Holzgebälk des Dachs knarrt verdächtigt: Spürbare Signale – bei uns hier unter Falscheid und Umgebung baut die DSK seit Juli wieder Kohle ab.

„Ist doch alles in Ordnung!“, mögen Sie sagen „Das Bergamt, die sogenannte Aufsichtsbehörde, hat doch trotz hunderter Einwendungen, die es sich von der DSK hat entkräften lassen, den Abbau genehmigt.“ „Halt!“ sagt da das Bundesberggesetz: „Die Einwender können mit Widersprüchen eine Aufschiebung der Entscheidung erwirken.“

„Ätsch, ätsch!“ frohlocken da DSK und das Bergamt, die sogenannte Aufsichtsbehörde, „wir haben ja noch den Sofortvollzug!“ Das Bundesberggesetz sieht vor, dass in Ausnahmefällen schon Kohleabbau betrieben werden kann, wenn das Widerspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Im Saarland ist diese Ausnahmeregelung die Norm: Seit über 10 Jahren ist es Tradition, dass im Zuge der Abbaugenehmigung auch der Sofortvollzug angeordnet wird. Damit sorgt die sogenannte Aufsichtsbehörde prinzipiell und bewusst dafür, dass die wenigen Rechte, die das Bundesberggesetz den Betroffenen zum Schutz ihres Eigentums und ihrer Gesundheit lässt, auch noch ausgehebelt werden. Daraus lässt sich ableiten: Das Bergamt handelt seit Jahren grundsätzlich unternehmensfreundlich und bürgerfeindlich – mit Duldung des Wirtschaftsministeriums, dem es unterstellt ist und damit mit Duldung der Landesregierung.

„Tjaa“, sagt da der Berghauptmann Böttcher vom Oberbergamt, der sich einmal aufregte, dass ihm die IGAB Falscheid Skrupellosigkeit vorwarf, „wir handeln nur nach Recht und Gesetz. Wir wägen laut Berggesetz die Interessen des einzelnen Betroffenen und des Bergbaubetreibers mit seiner Verantwortung für Tausende von Arbeitsplätzen ab!“
– (Der darauf folgende Abschnitt wurde auf Aufforderung des Leiters des Oberbergamtes Roland Boettcher aus dieser Veröffentlichung gestrichen.) –

Der Staatssekretär im saarländischen Wirtschaftsministerium Albert Hettrich hatte auf einer Podiumsveranstaltung versprochen, dass Bergbauvorhaben nicht mehr im Sofortvollzug genehmigt werden sollen. Wie ist dies jetzt einzuordnen? Politikergeschwätz oder Ministerohnmacht gegenüber einer untergeordneten Behörde?

Gegen den Sofortvollzug des aktuellen Abbaus hier bei uns hat Anfang August ein Eidenborner Bürger geklagt. Er begründete seine Klage mit mangel- und mängelhaften Ausführungen in der Genehmigung zu Gebäude- und gesundheitlichen Schäden, die der Bergbau hervorruft. Ein wesentliches Augenmerk richtete er auf ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Jan. 2004. Da hatte eine Britin in den 90-er Jahren eine Umweltverträglichkeitsprüfung für ein Abbauvorhaben eingeklagt, dessen Rahmenbetriebsplan schon 1947 genehmigt wurde. Ihr wurde in Brüssel Recht gegeben mit dem Hinweis, dass bei einem stufenweisen Genehmigungsverfahren unabhängig vom Zeitpunkt der ursprünglichen Genehmigung auch später eine UVP nötig ist.

Übertragen auf unsere Verhältnisse: Der Rahmenbetriebsplan des Kohleabbaus im Flöz Schwalbach von Heusweiler bis zur Primsmulde wurde – wie Sie ja wissen – am 31. Juli 1990 vom Bergamt genehmigt, gerade noch rechtzeitig einen Tag bevor eine UVP vorgeschrieben gewesen wäre. Das Genehmigungsverfahren bei uns ist ein stufenweises, denn der Rahmenbetriebsplan ist kein Freibrief für den Abbau, wie es Ministerpräsident Peter Müller uns gegenüber immer wieder darzustellen versucht, sondern stellt nur eine „Vorratssicherung für den Bergbaubetreiber“ dar. Die eigentliche Genehmigung wird im Sonderbetriebsplan ausgesprochen. 1947 gab es in Großbritannien auch noch keine UVP-Vorschrift. Dass dieses Thema sowohl für die Juristen des Bergamtes als auch der DSK brisant war, zeigt sich darin, dass sie diesem Aspekt in ihren Erwiderungen zur Klage erheblich mehr Platz einräumten als anderen Bereichen. Die Juristen des Bergamts hoben trotzdem wortreich auf die Terminfrage ab. Die Anwälte der DSK schrieben zwar auch viel zur UVP, stellten aber kategorisch fest, dass der Kläger gar nicht befugt sei, eine UVP einzufordern. Warum darf es eine Britin und bekommt damit vor dem Europäischen Gerichtshof Recht und warum darf es ein pensionierter Rektor aus Eidenborn nicht? Gehen im Saarland die juristischen Uhren anders?

Anscheinend ja, denn Anfang Oktober schmetterte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs glatt ab. Die Argumentationen der sogenannten Aufsichtsbehörde und der DSK werden weit gehend übernommen. So stellen die Richter fest, dass mit bemerkenswerten Schäden an den Häusern nicht zu rechnen ist, wie es das Bergamt auf Grund der DSK-Daten prognostiziert. Die Vergangenheit lehrt uns, dass der Voraussagewert von DSK-Prognosen für Bergschäden geringer ist als der von Wahrsagern und Astrologen. Die Gesundheit der Bergbaubetroffenen durch Erdbeben sieht das Verwaltungsgericht nicht gefährdet, weil dazu keine wissenschaftlichen Untersuchungen vorliegen. Die Feststellung des Gerichts, natürliche Erdbeben verursachten auch keine generellen Erkrankungen, ist rein spekulativ und wurde von den Richtern auch nicht wissenschaftlich belegt, steht aber so im Beschluss.

Die drei Richter erklärten, dass dem Bergamt planerischer Spielraum einzuräumen sei. Dessen Wahrnehmung sei der richterlichen Überprüfung entzogen. Damit stellt sich das VG das Armutszeugnis aus, es hätte keine richterliche Handhabe, eine behördliche Entscheidung, auch wenn sie falsch ist, zu revidieren. Wer dann? Macht eine Behörde nie Fehler? Hat das Bergamt juristische Narrenfreiheit?

Gleichzeitig wiesen die Richter schon jetzt – ohne Verfahren! – darauf hin, dass der Widerspruch des Antragstellers im Hauptverfahren keinen Erfolg haben wird. Deshalb sei es nicht notwendig, den Sofortvollzug des Abbaus zu stoppen. Ob sie dabei das Schicksal ihres Vorgängers vor Augen hatten, der 2001 mit einem richterlichen Beschluss für einen 10-tägigen Abbaustopp sorgte? Er wurde danach von der Justizministerin vom Verwaltungsgericht wegversetzt. Beförderungsanträge wurden bisher stets abgelehnt.

Bezeichnend im richterlichen Beschluss ist die Bewertung der Forderung nach einer UVP. Auch die Richter schreiben viele Worte darüber und warum sie nicht erforderlich ist. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs und eine juristische Würdigung des Vergleichs des saarländischen Klägers mit der englischen Klägerein erfolgt mit keiner Silbe!

Justicia, die Göttin der Gerechtigkeit, wird immer dargestellt mit einer Binde vor den Augen als Symbol für ihre Unvoreingenommenheit. Bei Bergbauverfahren vor dem Verwaltungsgericht Saarlouis schiebt Justicia allerdings die Binde auf der einen Seite ein Stückchen hoch, damit sie ja nicht die Interessen von Bergamt, DSK und Landesregierung außer Acht lässt.

Wir haben die Versammlung hier auf den heutigen Tag gelegt, weil heute die Frist für den Kläger abläuft, Beschwerde gegen den Beschluss einzulegen. Dieser hat auf eine Beschwerde verzichtet. Außer weiteren Kosten, – die IGAB hat sie für das bisherige Klageverfahren übernommen – außer weiteren Geldern für die Staatskasse und die Anwaltskanzleien der sogenannten Aufsichtsbehörde und der DSK wäre von einer Fortsetzung des Gerichtsverfahrens nichts zu erwarten, obwohl es sehr wohl Beschwerdegründe gäbe, die juristischen Maßstäben standhalten, allerdings nicht bei der einäugigen Justicia in Saarlouis.

Ich denke, eine Protestversammlung wie diese hat mehr Bedeutung und Wirksamkeit und ist billiger als sich auf den Instanzenweg zu begeben.

Es war notwendig und richtig, dass der Kläger diesen Weg beschritten hat, denn wir können hier hautnah und konkret aufzeigen, dass Bergbaubetroffene im juristischen Klageverfahren im Regen stehen gelassen werden, keine Chancen haben und kein Recht bekommen.

Wir haben ein Bundesberggesetz, das vielleicht von der DSK und ihren Freunden in Behörden und Regierungen als Bundesbergrecht bezeichnet wird. Für uns Bergbaubetroffene ist es ein Bundes-Berg-Unrecht, auch wenn der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Rezzo Schlauch auf eine entsprechende Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag antwortete, eine Änderung des Bundesberggesetzes sei nicht erforderlich, da die Interessen der Bergbaubetreiber und –betroffenen in hinreichendem Maße berücksichtigt seien.

Wir haben ein Verwaltungsgericht, das in fast allen bisherigen Urteilen und Beschlüssen das Privatunternehmen DSK, dessen Unwirtschaftlichkeit nur durch jährliche Milliarden-Subventionen kaschiert wird, bevorzugt. So werden weiterhin unsere Steuergelder verbraten, unser Eigentum und unsere Gesundheit ruiniert.

Wir haben eine Landesregierung, deren Chef, als er noch kein Ministerpräsident war, versprach, dass es unter seiner Regierung keine weiteren Genehmigungen für Bergbau unter bewohntem Gebiet geben wird.

Wir haben ein Bergamt – dessen Beamte waren in der Regel früher Mitarbeiter des Bergbaubetreibers -, das seinen Spielraum im Genehmigungsverfahren stets an den Interessen der DSK ausrichtet und deswegen Auflagen wie Blasversatz oder die Feststellung des Gemeinschadens meidet wie der Teufel das Weihwasser. Was – wenn nicht Fürstenhausen – soll denn dann überhaupt noch Gemeinschaden sein?

Wir haben Medien hier im Saarland, bei denen Meinungen des Bergbaubetreibers häufiger und ausführlicher verbreitet werden als die der Betroffenen. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich länger als eine Minute am Stück im Rundfunk und mit mehr als zwei Sätzen im Fernsehen zu Wort kam. Manfred Jost konnte nur einmal ohne DSK-Aufpasser über 20 Minuten im „Aktuellen Bericht“ als Studio-Gast teilnehmen, weil der DSK-Sprecher wegen Glatteises den Halberg nicht erreichte. Und die Sendung absetzen wollte die Redaktion dann doch nicht, war im Gespräch war!

Für das Wirtschaftsunternehmen „Saarbrücker Zeitung“ ist es sicher aus finanziellen Gründen geboten, Anzeigenkunden pfleglich zu behandeln. Kein Wunder also, dass RAG und DSK gerne großflächige Anzeigen mehrmals im Jahr schalten. Den Erfolg sieht man in der Berichterstattung im Wirtschaftsteil auf jeden Fall, aber auch in den Lokalredaktionen. Kein Wunder also, dass der Ensdorfer Bergwerksdirektor einen Tag lang „Redakteur des Tages“ spielen durfte und seine Sicht der Dinge spaltenbreit darlegen konnte. Wann wird denn mal ein Bergbaubetroffener „Redakteur des Tages“, Herr Fiedler, Herr Knitter? Mein entsprechender Antrag wurde damals nicht befürwortet!

Das klingt jetzt alles nach Selbstmitleid, was ich hier vortrage, aber mir geht es um eine andere Botschaft:

Wir Bergbaubetroffenen haben bei Bundes- und Landesregierung, bei den Behörden und Gerichten, bei den Medien, bei verantwortlichen Politikern auch auf kommunaler Ebene keine oder wenig Unterstützung und Solidarität bei unserer Forderung nach sofortiger Beendigung des Kohleabbaus unter bewohntem Gebiet. Ich nehme da Bürgermeister wie früher den Herrn Adams oder jetzt Patrik Lauer und mit Abstrichen den Michael Philippi – der muss es erst noch beweisen – aus.

Wir haben deshalb unser Anliegen teilweise schon vor mehr als 10 Jahren selbst in die Hand genommen. Bürgerinitiativen können sehr wohl politische und juristische Dummheit und Borniertheit überwinden. Dafür ist es entscheidend wichtig in Massen aufzutreten. Die Antiatomkraft-Bewegung, die Friedensbewegung in den 80-er Jahren, die Bürgerrechtsbewegung zur Abschaffung des DDR-Regimes sind positive Beispiele dafür. Was unseren Bergschadens- und Interessengemeinschaften zur Abwendung von Bergschäden eindeutig fehlt, ist die Möglichkeit oder das Geschick, diejenigen, die hier vom Bergbau die Nase voll haben, – und das ist im Abbaugebiet die eindeutige Mehrheit! – zu mobilisieren.

Wenn wir die Ängstlichen erreichen, die glauben, mit Wohlverhalten gegenüber der DSK werden ihre Schäden besser reguliert – und das sind die, die mit Vorliebe über den Tisch gezogen werden! -, haben wir schon viel gewonnen.
Wenn wir die Gleichgültigen erreichen, die erst dann jammern, wenn es zu spät ist, wenn die Erde bebt und die Wände reißen, dann haben wir schon viel gewonnen.
Wenn wir die Resignierer erreichen, die meinen, da kann man ja sowieso nichts machen, dann haben wir schon viel gewonnen.
Wenn wir all die Schlafmützen erreichen, für die es jetzt in diesem Moment wichtiger ist, einkaufen zugehen, das Laub im Gemüsebeet zusammenzurechen, „Verbotene Liebe“ oder „Big Brother“ zu gucken, dann haben wir schon viel gewonnen.

Wenn wir – und diese Botschaft möchte ich in den Medien wieder finden! – wenn wir diese Schlafmützen, Angsthasen, die Gleichgültigen und Resignierer unter den Bergbaubetroffenen mobilisieren können, mit uns auf die Straße zu gehen und gegen den Bergbauterror zu protestieren, dann wäre jetzt und künftig sehr schnell mit dem Abbau Schluss.

In der Bibel finden wir das ermutigende Gleichnis von David und Goliath. Sicher hat der David „Bergbaubetroffene“ den Goliath „DSK“ das eine oder andere Mal geärgert. Aber die Steinchen, die David bisher in seine Schleuder gelegt hat – Gerichtsverfahren, Kundgebungen, Petitionen usw. – haben den Goliath höchstens ein bisschen gejuckt. Es gilt, größere und wirkungsvollere Steine für die Schleuder zu finden und den Riesen an der richtigen Stelle zu treffen. Dann werden wir ihn auch klein kriegen. Helfen Sie auch weiterhin mit mit Ihren Ideen und Vorschlägen und Ihrem Engagement. Gemeinsam und nur gemeinsam sind wir stark!